Sabrina Jung
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Aussichten
Warte doch, ich komme gleich...
Sabrina Jung

Ich stehe auf einem Turm
und schaue durch die dunklen Fensterstreben
aufs Meer hinaus,
auf dem die Schiffe stehen.
Eine weisse Friedensflagge weht
– oder doch nicht?
Hat jemand die Schiffe vom Himmel fallen sehen?

Warum leuchtet es da so?
Meine Augen haben den Horizont verloren,
die Linie hat sich einfach aufgelöst!
Aber das Licht,
es zieht mich immer weiter
in den hellen Spalt hinein.
Nur, wohin?

Auf einmal sind auch die Streben des Fensters weg.
Ich bin drinnen,
nein draußen
– dazwischen, davor und dahinter
– alles gleichzeitig.
Pflanzenteile,
Lichtstrahlen und Farben.

Plötzlich sehe ich alles von oben,
der Boden ist jetzt ganz weit entfernt.
Lichter flackern auf
– leuchten,
verleuchten,
werden angeschaltet oder doch ausgeschaltet?

Bin ich wirklich innen oder außen,
will mich mal kurz setzen.
Wie groß bin ich? oder
– wie klein bin ich?
Zwar kann ich über die Mauer gucken,
aber woher kommt die Welle?

Warum ist das Meer so bewegt.
Ist denn tatsächlich Sturm?
Aber nein, ich kann ja die Insel sehen.
Dort, ein Fenster, jetzt kann ich alles ganz genau erkennen.
Da schau ich hinaus und halte kurz inne,
entspanne meinen Blick.

Blätter, Zweige,
ich mittendrin.
Versunken.
Ich laufe die Äste entlang.
Alles ist grün, ist gelb.
Mein Blick wandert weiter, irrt herum,
wird von einem Sonnenstrahl geblendet.
Ich geh lieber wieder rein,
nicht zu weit hinauslehnen.

Hier, bei den Pinguinen,
da weiß ich, dass das real ist.
Stein ist Stein,
Wasser ist Wasser.
Ich kann mich nicht wehren,
muss gucken,
hinausblicken.

Wieder Bäume,
aber ganz blass und fern.
Kann nicht hin,
weiß nicht warum sie dort sind.
Aber dann schubs ich einfach die Kartons weg
und bin ganz nah.
Ich sehe blau und gelb und rot.
Der Raum ist dunkel.
Wo bin ich?
Was ist das hier?
Alles aus Pappmaché?

Dieses Leuchten,
es lässt mich nicht mehr los,
es ist doch wirklich da.
Das sehe ich ganz genau.
Ich bin immer noch hinterm Tisch,
kann nicht vorbei.
Mein Körper streikt,
aber meine Augen sind schon am Fenster.

Ich sehe nur,
was ich sehe,
kann es mir mit Worten nicht erklären,
nur so ein bestimmtes Gefühl.
Fühle Sehnsucht, die es erzeugt.
Ich will mehr,
will mich satt sehen,
weiter sehen,
aufsaugen,
in mich füllen,
will mich daran berauschen.

Ich will das Gefühl behalten,
es soll nicht mehr weichen.
All das.
Will mehr!
Kann nicht mehr aufhören!
Der Boden schwindet unter meinen Füßen
– ich schwebe
– ich kann die Wölkchen fliegen sehen
– und dann wieder dieses Gefühl.
Ich dreh mich rund herum und bin glücklich.

Warte!
Ich will nur noch kurz die Aussicht geniessen!
Dann kehr ich zurück in die Welt.

 

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