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Interview
Achan Malonda und Sabrina Jung
In „brennpunkt - Magazin für Fotografie“ 3/2018
Die Fotografin Sabrina Jung wurde 1978 in Neuss geboren und hat ihr Diplom an der Folkwang Universität Essen 2007 mit Auszeichnung abgeschlossen. Geschlechterzuschreibungen, Schönheitsideale und der Tod sind wiederkehrende Themen in ihrem Oeuvre. Bei der Ausstellung The Female Gaze – On Body, Love, and Sex im Kunsthaus Erfurt war sie mit ihrer Serie Schöne Frauen vertreten, beim Spin-Off im Haus am Lützowplatz wurden Arbeiten aus den Serien Women, sowie Me, Myself and I gezeigt.
AM Fangen wir ganz einfach an: Welche Vorbilder haben dich als junge Künstlerin beeinflusst? Was hat dich dazu bewogen, dich unter anderem der Fotografie zu widmen?
SJ Ich habe schon als Kind angefangen zu fotografieren. Weil es mir Spaß gemacht
hat, habe ich einfach nicht mehr damit aufgehört. Im Studium hat sich meine Fotografie immer mehr hin zum eigenständigen Bild entwickelt. Ich habe bei Jörg Sasse studiert und klar, hat das mein Sehen und Denken beeinflußt. Mit meinen Portraitarbeiten habe ich erst nach dem Studium begonnen. Für mich sind die KünstlerInnen »Vorbilder«, die sich auch mit den Themen auseinandersetzen, für die ich mich in meiner künstlerischen Arbeit interessiere. Da fühle ich mich verbunden und finde Inspiration. Aber generell liebe ich alle
möglichen Arten von Kunst. Es ist besonders toll, wenn man in einer Einzelausstellung
in den Kosmos des/der Künstlers/in eintauchen kann und nicht nur einzelne Arbeiten mal hier mal dort sieht.
AM In Vorbereitung auf dieses Interview bin ich im Rahmen meiner Recherche auf eine Interviewreihe in einem Fotomagazin gestoßen. Unter den ersten 20 Interviews waren 3 Frauen (eine davon Teil einer gemischten Kollaboration). Nikon ließ ihre neue Kamera 2017 von 32 Profis testen - darunter nicht eine Frau. Häufig stößt man auf die Frage, ob
professionelle Fotografie eine Männerdomäne sei. Die Statistiken hierzu sind ambivalent: Zwar finden sich unter den Veteranen und Bestverdienern weitaus mehr Männer (vor allem im Bereich Fotojournalismus, wo deutlich mehr Männer als Frauen von News-Agenturen
beauftragt werden); jedoch gibt es unter den jüngeren FotografInnen und AbsolventInnen ausgeglichenere Verhältnisse. In anderen Kunstbereichen ist die Gemengelage bekanntermaßen ähnlich. Ist der männliche Blick nach wie vor prävalent oder ändert sich das im 21. Jahrhundert? Hast du dich im Laufe deiner Ausbildung und Praxis mit diesem Thema auseinandergesetzt und siehst du es so, dass du als weibliche Künstlerin in der Position bist, einen anderen, unabhängigen Blick auf Frau und Körper zu formulieren?
SJ Es ist für mich unbedingt notwendig, dem männlichen Blick meinen weiblichen Blick hinzuzufügen! Ich arbeite mit historischen Portraitaufnahmen, die zu großer Wahrscheinlichkeit alle von männlichen Fotografen erstellt wurden. Das, was ich in diesen Aufnahmen sehe und fühle, ist ein männlicher Blick, der stark von den gesellschaftlichen Rollenklischees der jeweiligen Zeit geprägt ist. Die Frauen werden in einer bestimmten
Art inszeniert, sind selber aber auch schon den entsprechenden Schönheitsidealen »verfallen«. Mit einfachen Mitteln, setze ich diesen Klischees visuell etwas entgegen und versuche, sie auf teilweise humorvolle Weise sichtbar zu machen oder zu brechen. Meine Arbeiten befragen dabei nicht nur die Rollenklischees, Geschlechterrollen oder Schönheitsideale der Vergangenheit, nein, diese Fragen sind immer noch zeitgemäß und relevant für die Gesellschaft, in der wir heute leben. Wenn die Statistiken sagen, dass im professionellen Bereich immer noch mehr männliche Fotografen Einfluss nehmen auf
die Werbeästhetik und die Darstellung von Frauen in den Medien, dann sind wir immer noch an einem Punkt, an dem die Frau durch einen männlichen Blickwinkel dargestellt wird, oftmals als Objekt. Diese Art der Darstellung von Frauen ist weit entfernt von dem, was ich als Frau unter Emanzipation verstehe.
Deine Frage bezieht sich auf die angewandte Fotografie, ich glaube, da muss man differenzieren. Interessanter wäre hier sicherlich zu fragen, wie Frauen in der künstlerischen Fotografie dargestellt werden und selbst darstellen.
AM Eine Fotografie im klassischen Sinn ist eine sehr realitätsnahe Form der Betrachtung eines Moments oder Objekts. Deine Arbeiten sprengen jedoch den traditionellen Rahmen, denn du arbeitest ja nicht nur mit der Kamera. Stattdessen ist Fotografie bei dir einer von
mehreren Bestandteilen der Befragung unterschiedlicher Themen. Mit welchen Medien arbeitest du noch? Wie benutzt du das Fotomaterial und warum?
SJ Ich arbeite mit allen Hilfsmitteln, die ich für die Umsetzung meiner Ideen benötige. Vieles entsteht mit Hilfe des Computers, dem Scanner, aber auch klassisch mit Schere und Klebstoff als Collage. Ungewöhnlich war, als ich für die Arbeit »Photographers masks
of death« dreidimensionale Masken erstellen wollte um darauf Portraitfotografien zu kaschieren. Für die Erstellung der Positivform einer Gipsmaske habe ich eine befreundete Bildhauerin um Rat gefragt.
Momentan arbeite ich recht »Oldschool«, mit Eitemperafarben direkt auf dem Fotoausdruck. Die Arbeit »Women« zeigt Frauen, die eben nicht einem klassischen Schönheitsideal entsprechen. Durch die Coloration, das »Schminken« möchte ich einen Dialog über dieses Thema anregen. Meine Arbeit ist oft handwerklich und im direkten
Kontakt mit dem Material.
AM Im Rahmen deiner Arbeiten beschäftigst du dich auch mit traditionellen Rollenbildern, über die Aufarbeitung von Schönheitsidealen oder die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen verschiedener Epochen anhand von historischem Bildmaterial. Welche Aspekte interessieren dich dabei besonders und wie drückt sich das in deiner Arbeit aus?
SJ Ich interessiere mich besonders dafür, wie Menschen in Portraitfotografien dargestellt werden. Die Vorlagen, die ich benutze, sind Zeitdokumente. Auf der Metaebene reflektiert meine Arbeit auch das Medium der Fotografie. In meiner ersten Portraitarbeit »Masken«, die ich 2009 veröffentlich habe, habe ich mich vornehmlich mit der Inszenierung von Menschen im Fotostudio auseinandergesetzt. Sowohl Männer, Frauen, Kinder, als auch Paare und Familien.
Es gibt eigentlich kein individuelles Bild, es wiederholt sich alles immer wieder. Besonders wichtig sind dabei Requisiten und Posen, wobei Frauen andere Posen zugeschrieben wurden als Männern. Mit diesem Material habe ich Collagen erstellt, in denen ich die Gesichtsteile unterschiedlicher Menschen miteinander kombiniert habe. So haben sich sowohl Frauen mit Männern oder Kindern vermischt. Ich finde es faszinierend, wie sich die Gesichter verändern und wie wenig man eigentlich über jemanden weiß, dessen Portrait man sieht.
Die »Schönen Frauen«, die 2011 entstanden sind, beschäftigen sich hingegen mit Schönheitsidealen. Jedoch sieht man von der Frau, die sich im Fotostudio hat fotografieren lassen, nicht das Gesicht. Dieses ist von dem Gesicht eines Models, das ich aus aktuellen Mode Magazinen heraus geschnitten habe, wie eine Maske überdeckt. Die Frauen gehen im Bild eine Art Symbiose ein, die auch über die Jahrzehnte, die zwischen den Aufnahmen liegen, funktioniert.
Anders bei meiner aktuellen Arbeit »Women«: Auch hier geht es um eine Reflexion von Schönheitsidealen, jedoch habe ich dafür bewusst Frauenportraits ausgewählt, die auch androgyne Züge haben und die die meisten nicht im »erlernten« Sinne als »schön« bezeichnen würden. Sie entsprechen nicht, wie die Schönen Frauen, einem medial vorgegebenen Rollenideal. Aber auch diese Frauen, haben sich zurecht gemacht, sie
waren z.B. geschminkt. Dies betone ich und überhöhe damit das Bild, indem ich die Fotos koloriere und die weiblichen Attribute hervorhebe – rote Lippen, auffällige Augen…
Ich finde es wichtig, über solche Themen weiterhin einen Dialog zu führen. Es ist zudem notwendig, die gesellschaftlich Entwicklung anhand von alten Fotografien, die in erster Linie für den privaten Gebrauch bestimmt waren, zu analysieren, damit zu arbeiten und Fragen zu formulieren.
AM Die Fotokunst hat Dank Social Media eine neue Dimension und Ästhetik bekommen. Ist das ein Prozess mit dem du dich befasst?
SJ Ich denke nicht, dass zum Beispiel Fotos auf Instagram eine neue Dimension der Fotokunst sind. Ich sehe in Social Media eher die Möglichkeit der Präsentation, Selbstdarstellung oder Werbung. Diese Plattformen sind für Jedermann zugänglich, sie sind nichts mehr als ein netter Gimmick, um mit der Außenwelt zu kommunizieren und zu konsumieren. Dort kann ja wirklich jeder, der ein Smartphone besitzt, Bilder einstellen, die dann „bewertet“ werden. Die Ästhetik, z.B. die verschiedenen Filter, die über die Bilder
gelagert werden können, sind der Werbung entnommen, jede Zeit hat ihre farbliche Ästhetik. Es ist also nichts Neues.
Selbstverständlich nutzen auch Künstler diese Plattform, aber ich denke doch, das die Fotokunst in erster Linie als Wandarbeit produziert wird und in Social Media nur als eine Art Eyecatcher veröffentlich wird, die Zeit der Betrachtung jedes einzelnen Bildes beträgt oft nur Sekunden, in denen im Hirn entschieden wird „Gefällt mir“. Zudem werden ja alle Bilder erst mal gleichwertig betrachtet, demnach ist es sehr schwer innerhalb dieser Form der Veröffentlichung zu differenzieren. Es ist etwas anderes, künstlerische Fotografie z.B. in einer Ausstellung an der Wand zu betrachten. Dafür hat man Zeit, das Bild wird zu einem Gegenüber. Die Betrachtung ist dann viel komplexer, es geht dann nicht mehr in erster Linie darum zu bewerten „Gefällt mir“ – Kunst hat etwas anderes im Sinn, Kunst muss nicht schön sein, nicht Trends entsprechen, nicht den neusten Filter tragen.
AM Vielen Dank für das Interview!
Achan Malonda ist eine in Berlin lebende Sängerin und Songwriterin. Im Rahmen der von Isabelle Meiffert kuratierten Ausstellungen .The Female Gaze - On Body, Love, and Sex. I & II war sie als kuratorische Assistenz tätig.
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