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Queers
Matthias Dachwald
Katalog, Who´s afraid of stardust? Positionen queerer Gegenwartskunst,
Kunsthaus Nürnberg
Irritiert blickt man in die Gesichter auf den Fotografien von Sabrina Jung. Es sind Porträts aus einer anderen Epoche, und doch lassen sie sich weder zeitlich noch räumlich exakt einordnen. Auch das Geschlecht der Abgebildeten lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Die Irritation ist ein Reiz, der zum intensiveren Hinsehen zwingt, zur Auseinandersetzung. Die Irritation ist ein Stimulus, eine Verunsicherung, letztlich eine Verwirrung. Sie verhindert, dass wir eine Schublade aufziehen und hineinlegen, was wir gefiltert haben: sympathisch – unsympathisch, männlich – weiblich, Herkunft, Status, etc.
Sabrina Jung arbeitet mit antiquarischen schwarz-weiß Studioporträts und formt diese zu neuen fiktiven Porträts, deren Geschlechter changieren. Sie überlagert und bearbeitet zu diesem Zweck je ein männliches und ein weibliches Gesicht, die beide letztlich nie exakt übereinanderliegen und deshalb beim Betrachten verunsichern. Augenbrauen erscheinen zu stark, man erkennt einen Oberlippenbartschatten, Wangenknochen wirken zu hoch oder zu tief im Gesicht zu liegen. Das Gesicht, das zuletzt analog kaschiert wird, fungiert als Maske, die Identität versteckt, gleichzeitig eine Neue generiert, um diese wieder zu zerstören. Die Kleidung, durch digitale Techniken farbig überhöht, unterstützt dabei die Transformation in ein fiktives Porträt.
Sabrina Jung, die bei Jörg Sasse studiert hat, befragt unsere Sehgewohnheiten und stellt dabei die Möglichkeiten des Mediums Fotografie, ein Porträt zu erzeugen, infrage. Sie fordert Betrachter*innen dazu auf, Sehgewohnheiten und Denkmuster zu reflektieren und eine Offenheit zu entwickeln, jenseits des Schubladendenkens, eines binären Geschlechtersystems.
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